Epidemiologische Studien zeigen, dass Kinder viel empfindlicher auf die Wirkung von Strahlung reagieren als Erwachsene und schwere Toxizität und erhöhte Inzidenz von radioinduzierten Sekundärtumoren entwickeln können. Neben den Krebstherapien zur Behandlung von Primärtumoren und dem jungen Alter können auch andere Faktoren wie die genetische Anfälligkeit für Neoplasien, die durch die Mutation eines Tumorsuppressorgens hervorgerufen werden, zur Entwicklung von Sekundärtumoren bei Kindern beitragen.
Die häufigsten genetischen Syndrome, die für das Auftreten von Tumorerkrankungen prädisponieren, sind: das Retinoblastom (RB), verursacht durch eine Mutation des RB1-Tumorsuppressorgens,das Li-Fraumeni-Syndrom (LFS), verursacht durch Mutationen im p53-Gen, Neurofibromatose Typ 1 (NF1) assoziiert mit Mutationen im NF1-Gen und das Karzinomsyndrom aus basalen Nevoidzellen (NBCCS), verursacht durch Mutation des PTCH-Gens. Es handelt sich hierbei nur um einige Beispiele, die aufgrund ihrer genetischen Anfälligkeit und der erhöhten Strahlenempfindlichkeit als erheblich gefährdet für die Entwicklung von Sekundärtumoren gelten.
Diverse Studien zeigen einen bestehenden Zusammenhang zwischen der Entwicklung von Sekundärtumoren und der Strahlentherapie bei Kindern mit Retinoblastom, einer seltenen prädisponierenden Erkrankung, die etwa 3 % aller pädiatrischen Tumore betrifft. Sie kann in zwei Formen auftreten: erblich, wenn bei der Geburt eine Keimbahnmutation des RB1-Gens vorliegt (sie betrifft in der Regel beide Augen) und sporadisch, wenn sie im Entwicklungsalter erworben wird (wobei fast immer mit nur ein Auge betroffen ist). Die erbliche Form prädisponiert zu einer Reihe von neuen Tumoren und die Strahlentherapie unterstreicht dieses Phänomen, indem sie die Entstehung von Sekundärtumoren an der Stelle des bisherigen Bestrahlungsfeldes begünstigt.
Es handelt sich um ein dominantes Erbsyndrom, das durch eine Keimbahnmutation des Tumorsuppressorgens p53 verursacht wird, das durch die frühe Entwicklung von Brusttumoren, Sarkomen, Hirntumoren, adrenokortikalen Tumoren und akuter Leukämie gekennzeichnet ist. Das Risiko, an Krebs zu erkranken, liegt bei etwa 50 % im Alter von 30 Jahren und 90 % im Alter von 60 Jahren.
Hierbei handelt es sich um eine autosomal-dominante Erbkrankheit, die das Auftreten von neuen Tumoren aufgrund einer Mutation des Gens NF1 prädisponiert. Bei Kindern mit NF1 besteht das Risiko, periphere Malignome der Nervenscheiden, Leukämie und Gliome zu entwickeln. Aus diesem Grund sollte bei Patienten mit NF1, besonders wenn es sich um Kinder handelt, die Anwendung von Radiotherapie wegen des hohen Risikos, dass sich im Strahlungsbereich neue Tumore entwickeln könnten, sorgfältig geprüft werden,
NBCCS, auch Gorlin-Syndrom genannt, ist eine seltene autosomal-dominante Krankheit, die von der Entwicklung von multiplen Karzinomen in den Basalzellen, Unterkieferzysten und Skelettanomalien gekennzeichnet ist. Bei Kindern mit diesem Syndrom besteht ein sehr hohes Risiko, frühe multiple Basalkarzinome im Bestrahlungsfeld (6 Monate bis 3 Jahre nach Ende der Strahlentherapie) zu entwickeln. Außerdem prädisponiert NBCCS die Entwicklung von einem sehr aggressiven, pädiatrischen Tumor des zentralen Nervensystems, dem Medulloblastom, das 20 % der Hirntumore bei Kindern im Entwicklungsalter betrifft.
Dies sind nur einige Beispiele, die aufgrund ihrer genetischen Anfälligkeit und der erhöhten Strahlenempfindlichkeit als erheblich anfällig für die Entwicklung von Sekundärtumoren gelten.
Mit der Nutzung von Protonen als Radiotherapiemethode bei Patienten, die diese Syndrome in sich tragen und eine Krebserkrankung austragen, wird das um den Tumorbereich liegende gesunde Gewebe durch die Bestrahlung weit weniger in Mitleidenschaft gezogen. Auf diese Weise kann die Inzidenz von späterer Toxizität und strahlenbedingter Tumore während der Folgejahre reduziert werden.